Ein kleines Licht am 27. Mai

Einer trage des anderen Last, Teil 2

Als Jugendlicher bin ich von der Kirche aus in jedem Sommer gewandert. Wandern bedeutet von mich, dass Start- und Zielort weit auseinander liegen. Wenn ich abends nach einer „Wanderung“ wieder an meinem Startort zurück bin, dann war das ein Spaziergang oder man ist umher geirrt. Aber eine Wanderung ist das nicht.

Und wichtig ist auch: Du hast alles, was du brauchst, in deinem Rucksack dabei. Zelt, Proviant, Schlafsack, Wechselsachen. Wenn du jeden Abend in einem Gasthaus übernachtest oder wenn dein Gepäck in einem Auto vor dir hergefahren wird, dann ist das alles mögliche aber keine richtige Wanderung.

Für mich bedeutet Wanderung: Es geht immer vorwärts und du hast nur das zum leben, was du tragen kannst. Dann wird es spannend und dann lernst du beim Wandern eine ganze Menge. Zum Beispiel, wie wenig du eigentlich zum leben brauchst und ganz viel über Gerechtigkeit.

Mit das Wichtigste vor einer Wanderung war immer die Packliste. Da stand von der Zahnbürste bis zur Zahl der Unterhosen alles drauf, was in deinen Rucksack reinmusste. Dann besondere Einzelsachen: Wer nahm für wie viele Personen ein Zelt mit? Wer trug den Kochpott? Und so weiter.

Kurz bevor es losging, trafen sich alle mit ihren Rucksäcken im Gemeindehaus. Da wurden die Rucksäcke gewogen und der Proviant aufgeteilt. Wer noch viel Platz in seinem Rucksack hatte, der bekam einen großen Haufen an Essenssachen. Wer schon einen schweren Rucksack mitgebracht hatte, der bekam nur noch wenig Gewicht dazu.

Am Ende trugen alle von den Jugendlichen ziemlich genau gleich viel. Die Teamer, die zwei Jahre älter und deshalb auch größer waren, trugen ein bisschen mehr.

So ist das gerecht.

Auf der Wanderung dann passierte folgendes: Manch eine geht einfach ein bisschen schneller, manch anderer etwas langsamer. Deswegen zog sich die Gruppe da, wo dem Weg gut zu folgen war, immer ziemlich weit auseinander. Es war ganz normal, dass manchmal welche von Pause zu Pause fünf, zehn oder fünfzehn Minuten auf die anderen verloren. Alle Menschen sind unterschiedlich und das dürfen sie auch sein. Die einen haben ein flotteres Tempo, die anderen sind gemütlicher unterwegs. Auch das ist in Ordnung.

Manchmal wurde aber auch einer langsam, weil sein Rucksack ihm zu schwer war. Er hatte nicht die Kraft, das gleiche Gewicht durch die Gegend zu schleppen. Oder eine wurde langsam, weil sie sich eine Blase gelaufen hatte und ihr die Füße weh taten. In dem Fall wanderten dann bei der nächsten Rast zwei Kilo Spaghetti von einem der Langsamen in den Rucksack von einem der Schnellen. Oder ein Zelt oder ein Kochtopf von einer der Fußkranken ins Gepäck von einer der Fitteren.

So wurden die Schnellen etwas langsamer und die Langsamen etwas schneller. Und der Vorteil war: Wir kamen alle gemeinsam früher zusammen ans Ziel. Das ist wirklich richtige Gerechtigkeit – jeder gibt sein Bestes, aber alle arbeiten auch für alle.

Denn auch das ist eine Regel für eine „richtige“ Wanderung: Abgebrochen wird nicht und vor einem gebrochenen Bein oder einem verknacksten Fuß steigt auch keiner aus oder um auf Bus und Bahn.

Auf einer richtigen Wanderung erklärt sich diese Form von Gerechtigkeit wie von selbst. Eine Gerechtigkeit, bei der genau hingesehen wird und gar nicht alle gleich behandelt werden. Wo die Starken auch die Last der Schwachen mittragen, damit am Ende daraus was wird. Und genau so steht es auch in der Bibel.

Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“. Galaterbrief, Kapitel 6, Vers 2.

Das einundsiebzigste kleine Licht.

Bleiben Sie gesund oder werden Sie gesund.

Ihr Pastor Jörg Prahler

Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu jeden Abend, außer am Wochenende von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.

Meine Oma hat aber gar kein Internet”? Aber du! Es ist ausdrücklich erlaubt, diese Beiträge auszudrucken, zu verschicken, zu teilen oder zu verlinken. Gebt sie gerne an alle weiter, die sich darüber freuen und vor allem an die, die sonst keine Zugang dazu hätten.

Rückmeldungen, Fragen oder Anregungen gerne an joergprahler@gmx.de.

Ein Kommentar

Kommentare sind geschlossen.