Predigt für den Sonntag Rogate

Gottesdienst am Sonntag Rogate, „Betet“, in Quickborn und Damnatz

Eingangsgebet:

Lieber Gott,ich will gar nicht immer beten: Tu dies oder mach das.

Will gar nicht erinnern und drängeln, was alles noch passieren soll.

Viel lieber will ich beten: Hier bin ich und jetzt kommst du. Amen.

 

Der Predigttext steht im Matthäusevangelium Kapitel 6, Verse 5-15

Jesus lehrte seine Jünger und sprach:

Wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

Darum sollt ihr so beten:

Unser Vater im Himmel!

Dein Name werde geheiligt.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben. Amen.

Predigt:

Liebe Gemeinde.

Das ist heute wahrscheinlich der einzige Predigttext überhaupt, den ihr nicht nur kennt, sondern auch zum größten Teil auswendig könnt. Das Vaterunser. Gut, ein paar Worte sind anders. Oder für unseren Geschmack ein bisschen verdreht. Aber das meiste ist uns vertraut. Vielleicht von Kindheit an. Spätestens ab dem Konfer.

Das Vaterunser ist etwas, was alle Christinnen und Christen gemeinsam haben. Ein Gebet, das Jesus seinen Jüngern hinterlassen hat. Und damit später dann auch uns. Ein Gebet wie wir beten sollen. In dem alles Wichtige drin steckt und nichts Unwichtiges zu viel ist.

Überhaupt ein Wahnsinn: Alle Christen beten das. Und dieser Rhythmus der steckt uns im Blut. Ich würde fast wetten: Wenn einer auf Chinesisch oder Suaheli oder wenn einer auf Finnisch das Vaterunser beten würde, wir würden das erkennen. Allein am Rhythmus. Ohne ein Wort zu verstehen. Ich war mal in einem polnischen Gottesdienst. Die meiste Zeit hatte ich keine Ahnung, was passiert und was als nächstes kommt. Aber das Vaterunser konnte ich mit beten. Ich auf deutsch, die anderen auf polnisch. Klappte hervorragend. Wir waren auch alle gleichzeitig fertig.

Gut, aus dem Evangelium erfahren wir nicht nur was, sondern auch warum wir das so beten sollen. Insofern steht im Predigttext vielleicht doch was Neues für den ein oder anderen.

Warum will Jesus, dass wir das Vaterunser beten und wie sollen wir das machen? Der Grund ist für mich heute ziemlich merkwürdig. Offensichtlich gab es zur Zeit von Jesus Probleme, die inzwischen ziemlich ausgestorben sind:

Es gab da zum Beispiel Leute, die beim Beten oder mit dem Beten angegeben haben. Weil sie sich zum Beten irgendwo hingestellt haben, wo man sie gut sehen konnte. Damit man sie für besonders fromm gehalten werden. Aber dann ist das kein Gebet mehr, sondern eine Show. Und das ist blöd.

Das heißt jetzt nicht, dass ich jetzt nur noch da beten darf, wo mich keiner sieht. Im Gegenteil: Ich darf überall beten. Und ich soll mich auch nirgendwo dafür schämen. Nur eben nicht extra eine Show machen.

Aber gibt es heute so was noch? Also bei uns glaube ich nicht. Ich glaube, wir sind eher zu schüchtern und zu zurückhaltend beim Beten. Wir reden über alles mögliche. Auch über ganz persönliche, private Dinge. Aber wissen eure Kinder oder eure Eltern, ob ihr betet? Oder wann? Oder wie? Eigentlich doch komisch.

Ich fände es schön, wenn es wieder selbstverständlicher wäre, zu beten. Auch außerhalb der Kirche. Ist doch keine Geheimsache.

Gut: Ich habe neulich mal einen kurzen Bericht im Fernsehen gesehen. Und da habe ich gedacht: Das ist tatsächlich mal Show-Beten, so wie Jesus das gemeint hat. Beten nur für das Bild. Nur damit andere das sehen.

Ein kurzer Bericht: Washington im Weißen Haus. In der Mitte saß Donald Trump. Rundrum standen lauter evangelikale Prediger. Und sie legten Donald Trump die Hand auf und beteten ganz inbrünstig. Bestimmt zehn Leute. Dazwischen saß Trump mit gefalteten Händen und guckte ganz fromm. Und die Kamera lief.

Das habe ich dem amerikanischen Präsidenten nicht abgekauft. Ich glaube, so fromm ist er nicht. Ich denke, da hat er andere Interessen. Ich dachte: „Da wird uns gerade was vorgeführt!“ Aber ich mag mich ja täuschen.

Und in den USA kann man durch frommes Aussehen vielleicht ein paar Stimmen gewinnen. In Deutschland eher nicht. Das finde ich ganz angenehm.

Das zweite, was Jesus sagt: Du sollst beim Beten nicht plappern und nicht endlos viele Worte machen.

Das mit dem Plappern war damals wahrscheinlich so eine Sache bei den griechischen Heiden. Die beteten wohl tatsächlich zumindest zwischendurch so ein unverständliches Zeug. Also keine richtigen Worte sondern eher Geräusche. Ich habe auch keine Ahnung, was Gott damit anfangen sollte.

Und eben endlose Gebete. Viel hilft viel. Das funktioniert bei Gott auch nicht.

Auch diese beiden Probleme betreffen euch wahrscheinlich weniger: Dass einer von euch komische Geräusche macht, ist mir noch nicht zu Ohren gekommen. Es gibt zwar fernöstliche Meditationstechniken mit Geräuschen, aber das wäre ja auch was anderes.

Ansonsten: Wenn einer frei betet – also ohne vorgeschriebenen Text – dann ist das eben oft nicht eben druckreif. Ich würde auch immer empfehlen: Versuch das, aber versuch das nicht besonders schön zu machen. Sag Gott einfach, was du auf dem Herzen hast. Und wenn du frisch und frei von der Leber weg sprichst, dann sind da eben ein paar Ähs und Öhs dabei. Wen stört‘s?

Gott ist schließlich unser Vater und unser Freund. Du kannst frei mit ihm sprechen. Mach keine Show daraus. Ansonsten gerne so, wie dir der Schnabel gewachsen ist.

Und mit der Länge? Wenn überhaupt, dann haben doch wir Pastoren damit ein Problem. Ich sage nur: Das Fürbittengebet. Da muss nicht jede notleidende Bevölkerungsgruppe einzeln erwähnt werden. Und du musst auch nicht für jedes umgekippte Glas Milch ein großes Trara machen.

Es gibt eine Situation, da weiß ich immer schon, die Gebete werden ziemlich fies lang werden. Das ist beim Generalkonvent. Eine Konferenz mit 200 Pastorinnen und Pastoren aus dem Sprengel Lüneburg. Die treffen sich einmal im Jahr in Celle. Und am Anfang ist immer ein Gottesdienst.

Die Predigt macht jedes Mal der Regionalbischof Rating. Mitmachen tut aber ein ganzer Haufen von Pastorinnen und Pastoren. Und am Schluss beim Fürbittengebet, da haben vier von denen den ganzen Gottesdienst noch nichts gesagt. Dann weißt du immer: „Das kann jetzt dauern.“ Und manchmal auch: „Das wäre fast noch mal eine ganze Predigt geworden.“ Gut, aber ich stelle mich an.

Und das ist ja auch nicht euer Problem. Sagt Gott, was ihr zu sagen habt. Einfach und schlicht. Und dann kommt Amen und Schluss. Oder betet so, wie Jesus das empfiehlt: Das Vaterunser sagen.

Und dann gehe ich mal am Vaterunser entlang: „Unser Vater im Himmel. Geheiligt werde dein Name“. Wahrscheinlich hat Jesus sogar so was ähnliches wie „Papa“ gesagt. Also das, was ein Kind wirklich zu seinem Vater sagt. Wir beten also nicht zu einem fremden oder weit entfernten Gott. Wir sprechen zu Gott, der uns lieb hat. Der für uns da sein möchte. Wir sind keine Fremden, die sich einen Termin holen müssen oder die erst mal für gut Wetter sorgen müssen. Wir können offen sprechen.

Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.Allein das ist eigentlich schon fast genug für ein Gebet. Wenn diese Welt einfach nur das Königreich Gottes wäre, wenn auf der Erde alles so laufen würde, wie Gott das will: Was sollte uns dann noch fehlen? Kein Hunger und keine Kriege. Keine Krankheit und keine Ungerechtigkeit. Alle miteinander in Frieden. Klare Luft und frisches Wasser. Die Schöpfung atmet auf. Das wünsche ich mir. Das ist meine Hoffnung. Ist aber auch leider erst die Zukunft.

Denn bis dahin reden wir Menschen mit – oder dazwischen – oder dagegen an. Und bis dahin machen wird gerne auch, was wir wollen.

Deswegen „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Vor Jahren fragte mal ein Konfi: „Warum eigentlich nicht Pommes?“ Und ein anderer: „Warum betet man nicht einfach: Ich will immer genug zu essen haben?“ Statt dessen immer von Tag zu Tag zu Tag.

Gute Idee: Wenn es nach mir ginge: Ich hätte gerne jeden Tag eine Hochzeitssuppe, Ente Szechuan mit Reis oder ein Schnitzel mit Kroketten und Vanilleeis mit Erbeersoße. Das Hauptgericht müsste mal ab und zu wechseln, der Rest kann ewig so bleiben.

Das wäre lecker und das wäre Luxus. Wichtiger ist aber, das erst mal jeder überhaupt was zu Essen kriegt. Damit keiner hungern und erst recht keiner verhungern muss.

Brot klingt bescheiden. Aber wie viele Menschen sehnen sich gerade nach Brot? Bevor das nicht geregelt ist, sollte wir anderen unsere Wünsche mal flach halten. „Gib uns das, was wir brauchen zum überleben.“ Das ist erst mal wichtig.

Und nicht als Besitz, den ich sicher glaube. Sondern jeden einzelnen Tag. Wir glauben ja nur, es ist immer einfach alles da. Aber lass die Läden mal ein zwei Wochen zubleiben oder nichts haben. Jeden Tag Gott um ein Stück Brot bitten und jeden Tag ein Stück Brot bekommen. Dann bleibt dein Kopf über Wasser.

Und dann die einzige Bitte mit Gegenleistung: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Der letzte Teil wird gerne überhört. Wenn ich Mist gebaut habe, dann bitte ich gerne um Verzeihung. Aber wenn mir selber jemand weh getan hat, dann bin ich ganz schön nachtragend. Ich habe ohne jede Schwierigkeit viel Verständnis mit mir selber. Verständnis für andere ist schon schwieriger.

Wahrscheinlich sind wir Menschen einfach so. Wahrscheinlich geht es nicht nur mir so oder so ähnlich. Trotzdem funktioniert das so ja nicht: Vergebung haben wollen und selber aber nicht verzeihen können. Wie soll das funktionieren?

Vielleicht müssen wir uns so bei jedem Vaterunser selber ein bisschen in den Hintern treten. Jedes mal wieder. Vielleicht kommt der Impuls ja irgendwann mal an im Kopf .

Aber das ist eben nicht einfach. Deswegen erklärt es Jesus hinterher noch mal ganz genau.

Und führe uns nicht in Versuchung“ – eine sehr vernünftige Bitte: Am leichtesten machst du keinen Blödsinn, wenn du gar nicht erst die Gelegenheit dazu hast.

Sondern erlöse uns von dem Bösen“ – hilf uns raus, wenn das Leben es böse mit uns meint. Wahrscheinlich kommt kein Mensch ganz ohne Kummer durchs Leben. Das lässt sich nicht verhindern. Aber ob ich in diesen Krisen aufgebe und zerbreche oder ob ich wieder aufstehe und weiterleben kann, das macht den Unterschied. Hilf mir dabei. Stell mich wieder auf die Füße. Eine gute Bitte. Insgesamt ein gutes Gebet.

Aber fehlt da nicht noch was? Wo ist denn „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“? Dieser Schluss steht in den ältesten und besten Abschriften vom Matthäusevangelium schlicht und ergreifend nicht drin. Deswegen steht „Denn dein ist das Reich und so weiter“ in meiner Bibel nur noch in Klammern.

Andererseits gehörte irgend so ein Lob an Gott bei einem hebräischen Gebet eigentlich immer mit dazu. Nur oft hat man das eben frei gesprochen. Und deshalb auch jedes Mal ein bisschen anders. Wahrscheinlich hat auch Jesus seine Gebete damals mit irgend so einem Satz und mit einem Amen beendet. Und später haben sie das in das Evangelium mit reingedichtet.

Und noch mal andererseits: So viel Neues und Unbekanntes wird da jetzt auch nicht gesagt: Gott ist groß und toll und mächtig. Und so wird es immer bleiben. So eine Art Tusch am Schluss. Und damit ist alles gesagt.

Und warum versuche ich nicht einfach beides? Wenn ich bete, dann spreche ich das Vaterunser. Damit ist schon mal alles gesagt. Und dann versuche ich noch ein paar eigene Worte oder eigene Gedanken. Was mir heute wichtig ist. Vielleicht einen Satz. Und ich mache eine Gewohnheit daraus. Abends im Bett, bevor ich das Licht aus mache. Morgens im Auto, bevor ich den Schlüssel umdrehe. Unterwegs im Wald, wenn ich mit dem Hund ne Runde drehe. Meinetwegen morgens, wenn ich mir die Hände wasche. Dann sind die auch hygienisch gereinigt.

Denn wenn ich bete, dann spreche ich nicht nur zu Gott. Mit der Zeit stelle ich mich auch auf Empfang. Aber das wäre schon wieder Stoff für eine zweite Predigt.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Gebet:

Lieber Gott, du weißt schon alles. Vor allem weißt du, was zu machen ist.

Ich bete nicht, um dich zu erinnern, sondern mich.

Dass du für mich da bist und für alle meine Lieben.

Dass du auf uns achtest, auch auf den Kleinsten und Geringsten.

Du willst dass wir miteinander teilen und einander helfen, gerade in der Not.

Du zeigst uns immer wieder, dass es besser zusammen geht als allein.

Lasst uns den Herrn anrufen: Herr, erbarme dich.

 

Lieber Gott.

Schenke uns Worte, mit denen wir mit dir sprechen können.

Schenke uns Ohren, die auf deine Antworten hören.

Offene, heiße, weiche Herzen.

Freue und Mut.

Liebe, Geduld.

Sehnsucht nach dir.

Lasst uns den Herrn anrufen: Herr, erbarme dich.

 

Lieber Gott zeige dich denen, die traurig sind.

Die Angst haben vor der Krankheit, um ihre Lieben, was die Zukunft bringt.

Gibt uns die Vernunft, vernünftig zu bleiben.

Dass wir nicht den Falschen hinterher rennen.

Dass wir uns nicht auseinander bringen lassen.

Lass uns beten mit unseren Herzen. Damit du darin wohnen kannst.

Jeden Tag.

Lasst uns den Herrn anrufen: Herr, erbarme dich.

 

Vater unser im Himmel

geheiligt werde dein Name,

dein Reich komme,

dein Wille geschehe,

wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unseren

Schuldigern

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Und nun geht hin im Frieden des Herrn!

 

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,

der Herr lasse sein Angesicht leuchten

über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich

und gebe dir Frieden. Amen.