01. Mai 2020 – Religion heilsam?

Gedanken zum Tag

Wann wird „dieser Zustand“ vorbei sein? Viele fragen sich das und hoffen auf ein mögliches und absehbares Bald. Aber niemand weiß das. Gewiss ist nur die Ungewissheit trotz aller Berichte in Zeitungen und Fernsehen. Was bewirken die Lockerungen, kann man es wagen? Es bleibt ein Risiko.
Dieser Zustand, ich für mich nenne diese Zeit so. Dieses Hoch und Tief am Tag, mal gelassenes „wir schaffen das“, mal unerträgliches „wie lange denn noch?“ Zuversicht und Bange. Mal so, mal so. Diese Zeit: kaum echte Kontakte mit anderen, immer dieser Vorbehalt „ach nee, geht ja nicht“ und wenn „darfst du das, ist es erlaubt?“ Diese Zeit: viel mit mir selbst beschäftigt. „Du könntest doch mal eine Adressenliste machen, wer bei deiner Beerdigung benachrichtigt werden soll, das wissen ja die Kinder nicht.“ Ein Freund von mir hat begonnen, sein Testament zu machen. Ja, so weit reicht „dieser Zustand“, dass sich einem das eigene Ende weiter in den Blick schiebt. Dass mein Leben begrenzt ist. Bisher habe ich es gern gelebt, gerade mit dem Schwierigen darin. Aber dann auch wieder mit ganz viel Glück darin, bis zum Himmel und wieder zurück. Ich möchte mit niemandem tauschen. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, möchte ich nicht missen. Und sie würden auch zu keinem anderen Menschen passen.
Hat Religion eine heilsame Wirkung? Erlöst Religion aus der Angst? Manche sagen, Christen hätten es leichter mit Leben und Tod umzugehen. Glaub ich nicht. Nicht als Methode, nicht als Mittel zum Zweck. Religion funktioniert nicht. Und weil Religion nicht funktioniert, darum glaube ich an Gott. Ich glaube an die Geborgenheit meines Lebens und meines Todes, wie nur Gott sie geben kann. Und eines Tages werde ich schauen wie wunderbar sie ist. Ja, ich habe auch Angst. Und ich will auch nicht sterben. Aber das ist für mich nicht das Ein und Alles in „diesem Zustand“. Mit diesem Blick habe ich dann auch die Kraft, über mich hinaus zu denken, an die Themen, die uns über Corona hinaus bleiben, damit die Welt bewohnbar bleibt für alle und nicht bloß für die Stärkeren. Dass die Erde und die Menschen auf ihr, gern leben und Gott loben können. Das finde ich schön.

Pastorin Susanne Ackermann
St. Johannis Dannenberg
Freitag 1. Mai 2020