15. April 2020 – Wo seid ihr?

Gedanken zum Tag

Gibt’s schon lange, aber erst in diesen Zeiten des Abstandhaltens kommt es so richtig in Mode und ist in aller Munde: Telefonkonferenz. Skypen – miteinander sprechen und sich dabei sehen. So laufen die Verhandlungen und die Absprachen und die Konferenzen in der Politik und auch in der Kirche, in unserem Kirchenkreis auch. Es ist vieles zu besprechen, zu regeln, zu klären, damit …. damit was? Damit nicht alles im Chaos versinkt. Damit nicht jeder machen kann, was er meint und was er will.
Damit wir beieinander bleiben. Der Hintergrund. Diese Arbeit im Hintergrund ist nötig, damit es im Vordergrund für alle weitergeht.
Ein Computerbildschirm. Telefonkonferenz mit Skype. Zwölf Bilder gleichzeitig. Zwölf Menschen sind zu sehen, das heißt, es sind nur elf zu sehen. Einer ist nur zu hören und der sagt flapsig in die Runde: Hey! Ein anderer aus der Runde sagt: Wie um alles auf der Welt bist du bei unserem Treffen? Komm vor die Kamera, dann kann ich glauben, dass du es bist, der mit dabei ist.
Es ist eine moderne Fassung der Geschichte von dem Jünger Thomas, der nur glaubt, was er fühlen und anfassen kann. Dem Auferstandenen glaubt er erst als dieser seine Hand auf seine Wunden legt, sie fühlt, sie anfassen kann. – Das wiederum verwirrt mich erst recht. Als ob das jetzt über jeden Zweifel erhaben wäre, wenn einer den auferstandenen Herrn anfassen könnte. Glaub ich nicht! Aber wie ist er denn da, der weg ist und fern und doch so nah, näher als wir uns selbst sind? Ich glaube das: in allem, was uns Vertrauen behalten lässt und was uns hilft, beieinander zu bleiben, da ist er am Werk. Mit uns. Bei uns.
Ich gehe durch Dannenberg, wie menschenleer es geworden ist und still. Wo seid ihr alle? An der Kasse im Supermarkt spricht mich einer an, der hinter mir in der Schlange steht: Hallo Susanne! Ich drehe mich um: einer meiner liebsten Kollegen. Ich winke ihm zu und sage: Wo seid ihr alle? Ihr fehlt mir. Und ich freue mich riesig, ihn zu sehen und könnte fast heulen vor unerwarteter Freude. Erst im Nachhinein merke ich, wie sehr diese Freude für mich den Tag gerettet hat.
Da stand nicht Jesus d’rauf. Aber da war er mittendrin.

Pastorin Susanne Ackermann
St. Johannis Dannenberg
Mittwoch 15. April 2020