29.3.2020 – Draußen vor der Tür

Gedanken zum Tag

Die Kirchentür ist zu. Auf dem Fußboden steht eine Kerze. Am Türgriff hängt ein Kreuz, das wir sonst zum Gottesdienst an Himmelfahrt am Thielenburger See an der Himmelsleiter anbringen. Heute hängt es also auch zwischen Himmel und Erde, verbindet uns mit Gott und miteinander, damit uns das Leben auf der Erde nicht zur Hölle wird. Die Kirchentür ist verschlossen. Aber die Kirche ist hat deswegen nicht zu. „Der Herr ist jetzt da draußen“, denke ich. Der wird jetzt woanders gebraucht, dort, wo die Menschen leben, lieben, streiten und mit so viel erzwungener Nähe manchmal auch überfordert sind. Da gehört er doch hin. Jetzt. Heute. Mit seiner Kraft. Da muss er doch jetzt das Herz der Menschen erreichen. Was soll er in der Kirche, jetzt, wo sie menschleer ist? War ja schon immer so, nur wir Menschen bauten Kirchen, um uns daran zu erinnern. Gott ist nicht für die Kirchen da, sondern für die Menschen. Wo finden wir Jesus in den Geschichten des Glaubens? Auf den Straßen und Plätzen, am Brunnen, den Zentren der Dörfer, unterwegs spricht er mit den Menschen und die Menschen erzählen ihm. Manche sprechen gar nicht mit ihm. Da ist eine Frau, die berührt nur sein Kleid. Und sie findet ihre Kraft wieder, die ihr über viele Jahre abhanden gekommen ist. Sie rührte einfach sein Kleid an, weil Frauen nicht einfach mit Männern auf der Straße sprechen durften. Sie rührte nur sein Kleid an. Das hat ihr schon gereicht in dem Gedränge um ihn. Und er? Er hats gemerkt.
Ein einzelner Mensch unter so vielen anderen.
Der Herr ist jetzt da draußen, denkt die Pastorin in mir. Ich finde diesen Gedanken ziemlich gut, ziemlich tröstlich. „Er wird dir geben, was dein Herz wünscht“ betet einer in den Psalmen. In mir singt die Melodie dazu – von Mendelssohn-Bartholdy. Sei stille dem Herrn und hoffe auf ihn. Er wird dir geben, was dein Herz wünscht. Weil er genau dahin gehört. Nicht von oben herab, sondern bei den Menschen, an ihrer Seite, bei ihrem Sorgen und Ängsten und bei dem, was sie freut.
Der Herr ist da draußen. Gott sei Dank!

Pastorin Susanne Ackermann
St. Johannis Dannenberg
29. März 2020